Sammelsurium Oktober

An dieser Stelle möchten wir einige Erlebnisse der letzten Wochen zusammenfassen. Leider muss man (wider der Erwartung) hier auch arbeiten. In den ersten Wochen stürzen natürlich auch viele Infos auf einen ein. Da bleibt dann unter der Woche wenig Zeit zum Schreiben und die Wochenenden braucht man echt für die Erholung. Wir sind eben keine Türken. Die arbeiten nämlich 7 Tage die Woche durch - da ist nix mit Sonntag. Auch die Schüler haben Samstag Unterricht. Die Gymnasiasten aus unserer Schule besuchen nachmittags und abends und auch an den Wochenenden zusätzliche Schulen, in denen sie sich auf das türkische Abitur vorbereiten. (Am Alman Lisesi werden sie für das deutsche Abi getrimmt.) In meiner 11. Klasse haben die Schüler noch kaum eine Disco von innen gesehen. Die müssen wirklich ran und dann stellt sich noch ein Deutscher vor sie, der sie sächsisch berieselt und sie haben weder Plan von Deutsch, geschweige denn von Sächsisch, aber ihr Sächsisch wird langsam besser. Stellt Euch mal einen Türken vor, der Euch in Deutschland etwas für das türkische Abitur beibringen will! Kein Kommentar. Jedenfalls schläft da ein Schüler im Unterricht schon mal ein, d.h. wenn er bei dem Lärm schlafen kann. Nächste Woche gibt es hier die ersten Zeugnisse, die gibt es 4 mal im Jahr, also 4-mal Geld von der Oma, bzw. 4-mal Dresche.
Bildung ist in der Türkei unheimlich wichtig. Auf den Plakaten der Stadt, den Monitoren in der U-Bahn und in den TV-Werbespots wird sehr viel für Schule geworben. Auch Erwachsene zahlen viel Geld um sich weiterzubilden. Wir zahlen für deutsche Verhältnisse auch allerhand, um etwas türkisch zu lernen. Unser Lehrer, Ergün, ist ein ganz netter Mann. Er gibt sich viel Mühe mit uns und nimmt uns auch hart ran. Seine Hausaufgaben sind sehr umfangreich und wir alten Menschen müssen uns richtig strecken. Die vielen Vokale machen einen fertig. Er wohnt z. B. in der "Kumrulu Yoguşu" und man begrüsst sıch mit "Nasılsınız" und antwortet "Iyiyim teşekkür ederim". (Versucht es ruhig mal laut zu sprechen!) Die Türken sind aber sehr dankbar und noch freundlicher als sowieso, wenn man sich mit ihnen auf türkisch verständigt. Eine Sprache lernen ist auch sehr spannend und es macht Freude. Es gibt viele bildhafte Begriffe. Mein Lieblingswort ist "kuşkonmaz", d.h. "Spargel" und frei übersetzt: "dort wo der Vogel sich nicht setzen kann"  Ergün ist ein türkischer Lehrer und er verdient sich mit dem Unterricht für Ausländer noch was dazu. Lehrer werden hier sehr schlecht bezahlt. Als Trost bekommen sie aber Vergünstigungen, die etwa mit den Schwerstbehindertenvergütungen in Deutschland vergleichbar sind, nein echt, ein türkischer Lehrer bezahlt weniger in den öffentlichen Verkehrsmitteln, Museen, Galerien etc. und er hat eine Art elektronische Essenmarke mit der er in vielen Restaurants der Stadt essen kann. Mit dem Lehrerpass kann man in der ganzen Türkei in so genannten Lehrerhäusern sehr preiswert übernachten und logieren. Einziger Nachteil, - alles Lehrer. Die Bezahlung der Lehrer steht im Widerspruch zur gesellschaftlichen Anerkennung des Lehrers. Bei meinem letzten Elterngespräch hat mich die Mutter gebeten, einmal mit ihrer Tochter zu reden und ihr zu sagen, dass sie mehr lernen muss, denn auf den Lehrer würde sie hören, auf die Eltern nicht. Wenn man in der Stadt sagt, dass man Lehrer ist, dann verbeugt man sich höflich vor dir. Es ist also genau wie in Deutschland.

 

 

Tja, beim Zahnarzt war ich auch. Nach dem Frisör hab ich mit dem Schlimmsten gerechnet. Es war aber echt super. Es gibt hier in Istanbul neben den türkischen Ärzten ein Deutsches Krankenhaus, ein Österreichisches Krankenhaus, ein Amerikanisches ... und und und. Beim Zahnarzt sollte es aber jemand sein, der einen versteht, wenn man "Au" sagt. Also fiel meine Wahl auf das Österreichische Krankenhaus, was in der Nähe der Schule liegt und da wir in Sachsen schon Ärzte aus der Alpenrepublik beschäftigen, habe ich das gleich als guten Einstieg für die spätere Wiedereingliederung gesehen. Nun darf man nicht dem Trugschluss folgen, dass im Deutschen K. deutsch und im österreichischen K. österreichisch gesprochen wird. Wir sind schließlich in der Türkei. Das kann ja heiter werden. Am Eingang hat mir ein türkischer Beamter erstmal 25 YTL (das sind 15 €) abgeknöpft. Die bezahlt man jedes mal. An dieser Stelle sei schon mal darauf hingewiesen, dass wir in old Germany echt ein Billigland sind, was bloß in D keiner glaubt. Ein Hausdiener hat mich dann direkt in das Behandlungszimmer geführt. Das war spartanisch, aber durchaus zweckmäßig eingerichtet. Der wohlbekannte Folterstuhl stand mitten im Raum. Die Ärztin verstand zumindest Englisch, sie hat in den USA studiert. Das türkische Englisch ist nur für mein Englisch nicht ganz so einfach, aber man wird später noch sehen, dass alles ein gutes Ende nehmen wird. Ein absolutes Plus war natürlich das Aussehen der Ärztin, von der Schwester ganz zu schweigen. Da macht man sich schon gerne mal lang auf dem Stuhl. Etwas gewöhnungsbedürftig war der Vollhelm den die Ärztin vor der Behandlung aufsetzte, wahrscheinlich als Schutz vor den zu erwartenden Blutspritzern. Na da, Glück auf! Von Klebemitteln, die mein Zahnarzt in D benutzt, hat man hier vielleicht noch nichts gehört, aber Zahnzement gab es. Der Menge nach wird das aus dem Baumarkt bezogen. Die Schwester hatte jedenfalls gut zu schaufeln. Mit dem Gebrei hat man dann mein Inlet wieder eingesetzt. Dann musste ich 10 Minuten meinen Mund fest zusammenpressen, damit es fest wird. Glücklicherweise gingen die Zähne wieder auseinander und ich war fertig. Dann bekam ich einen langen Vortrag, wie ich mich die nächste Zeit zu verhalten hätte und wenn es Probleme gebe, soll ich mich doch melden. Der Spaß hat dann nochmal 25 YTL gekostet und dann bin ich frohen Mutes nach Hause. Ein Blick in den häuslichen Spiegel brachte aber das blanke Entsetzen. Der Zahn sah aus, als hätte man links und rechts einen Karren Beton abgekippt. Ich dachte mir nur, die sieht mich nie wieder. Die folgenden Tage wurde mein Essen immer mal mit etwas Beton angereichert. Meinem Stuhl hat es nichts ausgemacht und das Klo ist auch noch ganz. Die Geschichte ist aber noch nicht zu Ende. An unserer Schule arbeitet eine sehr nette österreichische Kollegin und die erzählte mir eines Tages, dass sie die Zahnärztin getroffen hätte. Die würde sich wundern, dass ich nicht zum Entfernen des Betons gekommen wäre, sie hätte mir doch gesagt, dass ich am nächsten Tag kommen soll. Na soviel zu meinem und dem türkischen Englisch. Ich bin jedenfalls gleich noch mal hin und hab mir die Reste entfernen lassen. Diesmal musste ich auch nur am Eingang löhnen. Ich kann also nur das Beste vom Zahnarzt berichten.

Bilder von einem Spaziergang in unserem Viertel

   
So, das soll's für heute gewesen sein, wir müssen heute noch zu einer Party (80 Leute auf 70 m2), das wird sicher lustig. Einladungen bekommt man hier sehr häufig. Die Deutschsprachigen treffen sich sehr oft zum Essen, Feiern oder auch nur auf ein Bier.